Die westlichen Medien «sind die Architekten der Niederlage der Ukraine und die Ursache, dass keine Verhandlungslösung gefunden wird». Das stellt der Schweizer Militär- und Geheimdienstexperte Jacques Baud in einem aktuellen Interview fest.
Gegenüber dem Schweizer Magazin Zeitgeschehen im Fokus erklärte Baud ausserdem:
«Die USA haben die Ukraine in die Offensive gegen die Russen einsteigen lassen, wohlwissend, dass sie verlieren wird. Das zeigt den Zynismus der westlichen Länder gegenüber der Ukraine.»
Das Ziel der westlichen Länder sei nie der Sieg der Ukraine gewesen, «sondern die Niederlage Russlands», so der frühere Oberst der Schweizer Armee. Von Anfang hätten die USA das Ziel verfolgt, einen Sturz der Regierung Russlands und dessen Präsidenten Wladimir Putin zu erreichen.
Dafür sei Russland in der Ukraine zu einem Krieg provoziert worden, der nach langer Dauer zum Sturz Putins führen sollte. Es sei den führenden Kreisen der USA klar gewesen, dass die Ukraine nicht die Stärke und auch nicht die Fähigkeit hat, die Russen militärisch zu besiegen.
Aber die herrschenden Kreise des Westens seien überzeugt gewesen, dass ein längerer Krieg die russische Bevölkerung beeinflusst und hätten eine Ermüdung der Russen durch den Krieg erwartet. Die daraus entstehende Krise sollte zum Sturz Putins führen – Baud bezeichnet das als illusorisch und «verrückte Idee».
«Das Grundelement für diese Idee ist die Überzeugung des Westens, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung Putin hasst und jede Möglichkeit sucht, um gegen die Regierung vorgehen zu können.»
Doch das sei eine falsche Einschätzung der Stimmung in Russland, so Baud. Die Realität sei, dass die hohe Zustimmung in der russischen Bevölkerung für Putin seit dem Einmarsch in die Ukraine sogar noch gestiegen sei, wenn auch mit Schwankungen.
In dem am 3. Oktober veröffentlichten Interview stellt er fest, dass viele westliche Journalisten schlecht informiert seien. Das habe er unter anderem an den Reaktionen auf sein kürzlich auf Deutsch erschienenes Buch «Putin – Herr des Geschehens?» gemerkt: «Viele fragten mich nach Informationen, die von den Ukrainern selbst gegeben worden waren!»
Es zeige sich:
«Sehr viele haben auf das Buch gewartet. Viele merken jetzt, dass alles, was über die Ukraine, die Russen und den Krieg berichtet wurde, nicht stimmt.»
Die Ukraine habe massive Schwierigkeiten, so der Experte, der Erfahrungen in internationalen Krisengebieten sammelte. Die ukrainische Verteidigung funktioniere nicht so, wie sie im Westen dargestellt werde.
Die Diskrepanz zwischen der heutigen Situation und dem, was vor anderthalb Jahren erzählt wurde, sei «das Haupthindernis für die Lösung des Konflikts». Deshalb seien die westlichen Medien «die Architekten der Niederlage der Ukraine und die Ursache, dass keine Verhandlungslösung gefunden wird».
Baud analysiert wie in früheren Interviews zum Thema auch die militärische Lage in der Ukraine. Die russischen Truppen seien seit Oktober 2022 mit ihrer Strategie erfolgreich, auf den Feind zu warten und in systematisch zu vernichten.
Das Ergebnis sei, dass die ukrainische «Gegenoffensive» militärisch ein Misserfolg wurde. Zwar behaupte Kiew ebenso wie seine westlichen Unterstützer, es habe einen «Durchbruch» erreicht, den es aber nicht gebe, betont Baud mit Verweis auf die Fakten.
Schon 2022 hätten die westlichen Medien von Erfolgen der ukrainischen Truppen berichtet. Stattdessen seien diese bei Charkow und Cherson nach dem russischen Rückzug «in eine Falle und von massiver russischer Artillerie empfangen» worden.
Baud bezeichnet die westlichen Hoffnungen auf einen Sturz Putins und die Darstellungen von Ereignissen wie der Meuterei der Söldnertruppe «Wagner» als «Mechanismus einer Verschwörungstheorie»:
«Man nimmt Elemente, die einem passen, und erstellt damit eine Geschichte.»
So würden die Medien im Westen seit dem Februar 2022 vorgehen. Und:
«Das ist der Grund, warum heute niemand begreift, dass durch diese Fehlinformationen die Ukraine den Preis bezahlt. Aufgrund dieser Falschinformationen und Fehlbeurteilung haben wir das Desaster in der Ukraine.»
Der Schweizer Militärexperte war selbst mehrmals in der Ukraine. Er bestätigt in dem Interview, dass Korruption in dem Land seit langem ein «eindeutiges Problem» ist. Das wisse auch die ukrainische Bevölkerung.
Laut einer Umfrage würde sogar eine deutliche Mehrheit den derzeitigen Kiewer Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für die Korruption verantwortlich machen. Die Ukrainer haben laut Baud «kaum Vertrauen in die Regierung». Behauptungen westlicher Medien und Politiker, die Ukraine sei eine Demokratie, sind aus seiner Sicht Lügen.
Dennoch wolle eine Mehrheit in der ukrainischen Bevölkerung den Krieg fortsetzen, erklärt der Militärexperte: «Sie wollen Rache und so weiter». Und er fügt hinzu: «Es ist kaum zu erwarten, dass die Ukrainer irgendwelche Sympathien für die Russen haben. Anfang 2022 war das sicher noch nicht so stark.»
Diese Folgen des Krieges hätten ihre Ursache auch darin, dass die Ukrainer «nicht richtig über den Krieg informiert sind». Aufgrund der Desinformation durch die Kiewer Regierung und den Westen würden viele glauben, ihr Land sei am Gewinnen und die Russen wären zunehmend geschwächt.
«Wenn sie jedoch an der Front sind, sehen sie, dass genau das Gegenteil der Fall ist. In Europa wird jede Information, die gegen das offizielle Narrativ geht, gestrichen.»
Das Problem sei, viele Ukrainer hätten «so viel investiert, persönlich, finanziell und menschliches Leben, sie können nicht einfach zurückgehen». Die Stimmung sei, «weiter vorwärts zu gehen, weil man den Krieg gewinnt». Bei einer Umfrage hätten 63 Prozent der Bevölkerung angegeben, mindestens drei Menschen gekannt zu haben, die in diesem Krieg starben.
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