Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer analysiert die vergangenen Monate des Krieges in der Ukraine. Im Video beschreibt er bisherige Erfahrungen und bevorstehende Herausforderungen der nächsten Monate. Reisner unterscheidet zwischen der taktischen (z.B. Waffensysteme), der operativen (z.B. Offensiven) und der strategischen (langfristige Ausdauer) Ebene.
Auf taktischer Ebene habe die russische Seite erfahren, dass es nicht funktioniert habe, mit bataillonstaktischen Truppen einzumarschieren, weil die eigene Infanterie offenbar unterlegen sei. Die Ukraine habe durch den Einsatz präziser Artillerie verstanden, diese russischen Angriffsformationen abzuwehren.
Die ukrainische Seite habe operativ einige Erfolge verzeichnen können. Nach dem Abwehrerfolg bei Kiew sei sie auch in Charkiw und beim russischen Rückzug bei Cherson erfolgreich gewesen.
Demgegenüber verzeichneten die Russen ihrerseits mehrere Erfolge. So die Einnahme von Mariupol, die gewonnene Kesselschlacht bei Sjewjerodonezk und die konstante Belagerung bei Soledar/Bachmut. Beide Seiten hätten durch hohe Flexibilität wiederholt bewiesen, dass sie sich auf die verschiedenen Situationen einstellen könnten, so Reisner.
Ausserdem habe die russische Seite auf strategischer Ebene erkannt, dass sie durch den Einsatz der überlegenen Luftwaffe die kritische Infrastruktur der Ukraine beliebig angreifen kann, etwa die Stromversorgung. Der Ukraine fehlten geeignete Luftabwehrsysteme.
Zukünftige Herausforderungen
Eine langfristige Problematik sieht Reisner in der Verfügbarkeit von Munition. Man nehme an, dass Russland über 17 Millionen Schuss Artilleriemunition verfügt hatte, wovon in den letzten elf Monaten sieben Millionen verbraucht worden seien. Russland verfüge über eigene Produktionskapazitäten von 3,4 Millionen.
Auf der anderen Seite habe die Ukraine ihre Munition rasch verbraucht und sei durch den Umstieg auf westliche Kampfsysteme auch auf mehr westliche Waffenlieferungen angewiesen.
Wenn die Ukraine weiter in die Offensive gehen wolle, brauche sie massiv mehr Waffenlieferungen als bisher von den westlichen Ländern in Aussicht gestellt. Die Ukraine fordert 300 Panzer, rund 30 werden geliefert. Gefordert seien zusätzlich 600 bis 700 Kampfschützenpanzer, rund 90 sind in Aussicht gestellt.
Laut Reisner bewahrheite sich immer mehr, dass der Krieg in der Ukraine ein Abnützungskrieg sei. Die Frage sei nun, wer den längeren Atem habe. Die materielle Unterstützung für die Ukraine stamme vor allem aus den USA, während die russische Rüstungsindustrie im Dreischichtbetrieb arbeite und modernere Geräte für die Front bereitstelle.
Man könne sich den Konflikt als Boxkampf vorstellen. Die ukrainische Seite habe mehrere Runden nach Punkten gewonnen, aber das K.O. sei bisher ausgeblieben.
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