Für sozial- und regierungskritische Künstler ist es mittlerweile schwierig geworden, ihre Werke auszustellen. Ein besonders skurriler Vorfall in Berlin verstärkt diesen Eindruck und führt zugleich vor Augen, welche absurde Formen die Cancel Culture mittlerweile angenommen hat. Dort wollte die Internationale Agentur für Freiheit (IAFF) in dem Neuköllner Café Rix über mehrere Wochen die Bilder ihrer Mitglieder ausstellen.
Die Vernissage sollte am 10. Dezember stattfinden – unter Anwesenheit aller Künstler und mit musikalischer Begleitung des Liedermachers Karsten Troyke. Am gleichen Tag erschien ein IAFF-Kalender für das Jahr 2024, in dem die Agentur einige der ausgestellten Motive gebündelt hat. Doch als die Künstler den Ort betraten, war ihre Vernissage bereits abgesagt.
Eine derart enttäuschende Erfahrung machte das Kollektiv nicht zum ersten Mal. Seit Gründung der IAFF im Jahr 2022 bläst ihr heftiger Gegenwind entgegen, meistens aus der Richtung der sogenannten Antifa. Was ihr missfällt, ist die angeblich falsche Haltung der Künstler. Diese haben sich recht früh gegen die Corona-Politik und die damit verbundene Einschränkung der Freiheitsrechte ausgesprochen.
Foto: IAFF-Ausstellung
Zeugnisse des Ausnahmezustands
Als Künstler drücken sie ihre Kritik in Bildern aus, die stilistisch und ästhetisch ein breites Spektrum abdecken – von Streetart über Fotografie bis hin zu Collagen. Sie kommen als Zeugnisse des Ausnahmezustands daher, als teils bissige, teils reflektierte und durchaus einfühlsame Kommentare auf die politisch-gesellschaftliche Entwicklung der Gegenwart.
In den Werken Clement Loisels etwa wird die zunehmende Überwachung im öffentlichen Raum thematisiert oder der allgemeine Konformismus. Sie enthalten oftmals eine allegorische Ebene und animieren die Betrachter dazu, hinter dem Motiv gesamtgesellschaftliche Phänomene zu erkennen. Michal Lezian hingegen kritisiert in seinen comic- und cartoonartigen Bildern sämtliche Institutionen, vor allem die Medien, die die öffentliche Meinung mit manipulativen Mitteln lenken.
Foto: Arbeit von Michal Lezian
Einen anderen Ansatz verfolgt die Fotografin Sandra Doornbos, die mit ihrer Kamera eindrucksvolle Szenen auf Demonstrationen festhält. Die Motive zeichnen sich jedoch durch eine Doppeldeutigkeit aus, weil sich die Wahrnehmung sowohl auf einen positiven als auch auf einen negativen Aspekt richten kann. Deutlich schärfer im Ton sind die Collagen Jill Sandjajas, die darin die Verfehlungen bekannter Politiker akzentuiert. Angeprangert wird die Kriegspolitik der Bundesregierung, deren Hörigkeit gegenüber den USA oder die Verschwendung der Steuergelder.
Antifa übt Druck auf Lokal-Betreiber aus
Sandjaja ist gleichzeitig die Vorsitzende der IAFF und bemüht sich unermüdlich, Räume für mögliche Ausstellungen zu organisieren. Manchmal gelingt es ihr, doch oftmals scheitert sie an dem fehlenden Mut der Lokalbetreiber oder der institutionellen Mieter. Wenn diese doch zusagen, bekommen sie im Regelfall sofort Anrufe oder Zuschriften von Antifa-Aktivisten, die Druck ausüben. Dabei kommen meist Kontaktschuld-Argumente und bekannte Kampfbegriffe zum Einsatz, mit denen heutzutage Andersdenkende aus dem Debattenraum verdrängt werden.
Foto: Werk von Jill Sandjaja
Im Mai dieses Jahres wollte Sandjaja zum Bespiel im Stadteilt Kreuzberg ihre Bilder in der Galerie ZeitZone ausstellen. Sobald die Veranstaltung angekündigt war, ging der Schwarm der Gesinnungstäter zum Angriff über. Über Twitter und Telegram riefen sie in einer orchestrierten Aktion dazu auf, sowohl den Betreiber der Galerie als auch den Vermieter anzuschreiben.
Beide bekamen schliesslich kalte Füße und sagten die Ausstellung kurzfristig ab, allerdings nicht so kurz davor wie bei der jüngsten Absage im Café Rix. Dort waren die Bilder der Künstler bereits an den Wänden aufgehängt. Als die Künstler eine Stunde vor Beginn der Vernissage erschienen, wussten sie noch gar nicht, dass der Betreiber die Veranstaltung nur wenige Minuten zuvor per SMS annulliert hatte. Sandjaja konfrontierte ihn daraufhin und bat um eine Erklärung. Doch die erhielt sie nur in fragmentierter und nicht-greifbarer Form.
Keine klare Erklärung
Obwohl der Betreiber sich vor dem Event die Bilder angeschaut und deren politische Stossrichtung gekannt hatte, machte er jetzt plötzlich Ausflüchte. Er wolle diesem Spektrum nicht zugeordnet werden, hiess es. Er habe eine andere Vorstellung von Demokratie und Freiheit. Aufhorchen liess ein anderes Statement. Die Entscheidung, so der Betreiber, habe er nicht alleine getroffen. Sandjaja vermutet eine Intervention des Stadtbezirks und des Theaters Heimathafen Neukölln, der an das Café Rix angrenzt und wo auch alljährlich der «Goldene Aluhut« verliehen wird.
Der eigentliche Höhepunkt sollte jedoch erst kommen. Nachdem die Vernissage abgesagt worden war, blieben sowohl Künstler als auch Gäste in den Räumlichkeiten. Ihre Bilder durften weiterhin hängenbleiben. Allerdings nahm auch das Café Rix seinen Betrieb auf, sodass sich der Raum mit weiteren Gästen füllte, die jedoch nicht wegen der Ausstellung gekommen waren. Ursprünglich hatte Sandjaja den ganzen Raum für die Vernissage reserviert. «Doch das Personal hat uns von den Tischen vertrieben», sagt sie. Deshalb blieb Künstlern und Gästen nichts anderes übrig, als verstreut herumzulaufen.
Aus dieser Situation heraus entschlossen sich die Künstler, ihre Bilder von den Wänden abzuhängen. Als sie das zwischen den vielen Gästen taten, störte sich das Personal auch an dieser Aktion. Eine Mitarbeiterin rief sogar die Polizei an, mit dem Verweis, dass im Hause ein «Kunstraub» stattfinde. Damit war das Finale der Veranstaltung eingeleitet. In mehreren Bussen rückten rund 30 Beamte an, denen die Künstler anschliessend beweisen mussten, dass es sich um ihre eigenen Werke handelte.
Während dieser Aussprache mit den verdutzten Polizisten kam Karsten Troyke schliesslich doch noch zu seinem Einsatz. «In diesen Zeiten würd ich gerne Flügel haben», stimmte er an. «Wie ein Vogel könnt ich einfach von hier fliehn / Würde mein Lager auf ner Insel dann aufschlagen / Und mich ganz einfach diesem Wahnsinn hier entziehn.»
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