In einem Interview, veröffentlicht auf dem Finanzblog Inside Paradeplatz, spricht Professor Hans Geiger über den Versuch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) mit elektronischem Zentralbankgeld ab dem 1. Dezember dieses Jahres. Transition News hat hier und hier darüber berichtet.
In der Schweiz sind Transaktionen mit Geld und Wertpapieren schnell, günstig und zuverlässig. Die SNB, der Finanzplatz und die Börse haben mit der elektronischen Börse, dem Straight-through-processing und Settlement sowie mit effizienten Zahlungsabwicklungen über den Dienstleister Telekurs seinerzeit Pionierarbeit geleistet.
Die Schweiz ist ebenfalls an das europäische SEPA-System angeschlossen.
Heute gibt es neben Bargeld auch Kreditkarten, Debitkarten und Zahlungssysteme über das Mobiltelefon. Für einen digitalen Franken, also eine Central Bank Digital Currency, kurz CBDC, die direkt von der Nationalbank an Bürger ausgegeben wird und das Geschäftsbankensystem umgeht, besteht also keine Notwendigkeit.
Weshalb also der Versuch? Geiger, früher Generaldirektor der Credit Suisse (CS) und Bankenprofessor an der Universität Zürich, macht deutlich, dass die SNB nur an der CBDC-Technologie interessiert sei. Sie wolle technisch führend bleiben, aber die Aufgabenteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken solle nicht angetastet werden.
Die Zentralbank ist für die Geldversorgung zuständig, die Geschäftsbanken für die Beziehung zum Endkunden. Das ist das zweistufige Bankensystem, wie es sich in Marktwirtschaften eingebürgert und bewährt hat.
Ein digitaler Franken kommt also aus der Sicht der SNB nur für Transaktionen unter den Banken in Frage.
Andere Zentralbanken sehen das anders: Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, schliesst digitale Euros für Endkunden nicht aus, während China den kompletten Ersatz des Bargeldes durch eine digitale Währung plant.
Geiger verweist nicht nur auf Datenschutzbedenken, die darauf abzielen, dass eine lückenlose Überwachung des Bürgers und die Kontrolle seines Geldausgabeverhaltens möglich wären. Auch macht er darauf aufmerksam, dass verbreitete digitale Zentralbankfranken das Ende der Geschäftsbanken und des zweistufigen Bankensystems einläuten und grosse Verwerfungen hervorrufen könnten.
Warum? Weil im Krisenfall die Bürger ihr Geld von den Geschäftsbanken abziehen und digital in Sekundenschnelle zur Zentralbank verschieben würden, da es dort am sichersten ist. Damit würde das Bankensystem, wenn man nicht per Notrecht solche Transaktionen blockiert, innert kürzester Zeit ausbluten.
Der Effekt wäre vergleichbar mit dem, der in Griechenland zu beobachten war. Dort wurde während der Wirtschafts- und Finanzkrise massenhaft Geld in bar von den Banken abgezogen und zu Hause aufbewahrt. Um das Ausbluten der Banken zu verhindern, mussten damals für den Bargeldbezug sehr tiefe Limiten eingeführt werden – die nie komplett aufgehoben wurden.
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