Das Ökosystem «Internet der Körper» (Internet of Bodies, IoB) könnte irgendwann zwischen 2035 und 2050 zum «Internet der Gehirne» führen, so ein vom britischen Verteidigungsministerium in Auftrag gegebener RAND-Bericht. Darüber berichtet das Technologieportal The Sociable.
Die vom Think Tank RAND Europe und Frazer Nash Consulting durchgeführte Studie befasst sich mit verschiedenen Technologien und Informationsumgebungen und ihren Auswirkungen auf die britische Verteidigung. Der Transhumanismus, also die Verschmelzung von Mensch und Maschine, sei ein wichtiges Thema, das sich durch diese Informationsumgebungen zieht.
Fortschritte bei der Konnektivität von Objekten könnten sich schliesslich auf den menschlichen Körper ausweiten, so der Bericht. Als «Internet der Körper» bezeichneten Forscher ein «mit dem Internet verbundenes Netzwerk von Geräten, die mit dem Menschen verbunden sind und biometrische Daten der Endnutzer sammeln». Und weiter:
«Ein ‹Internet der Körper› kann letztlich auch zu einem ‹Internet der Gehirne› führen, d. h. zu menschlichen Gehirnen, die mit dem Internet verbunden sind, um die direkte Kommunikation von Gehirn zu Gehirn zu erleichtern und den Zugang zu Online-Datennetzwerken zu ermöglichen.»
Beide Netzwerke fielen laut RAND unter die Kategorie der «Technologien zur Erweiterung des Menschen». Diese würden sich auf Techniken beziehen, welche die menschlichen Fähigkeiten entweder physisch oder kognitiv «verbessern». Damit in Verbindung gebracht werden zum Beispiel:
- Geräte und Implantate zur Überwachung und Analyse von physiologischen Daten
- Technologien zur Verbesserung der Sinneswahrnehmung oder zur Steigerung von Mobilität, Kraft und Ausdauer
- Schnittstellen, die eine direkte Kommunikation zwischen menschlichen Gehirnen und/oder Computergeräten herstellen
Manipulation und Kontrolle sind weitere Bereiche, die im Zusammenhang mit menschlicher Augmentation Anlass zur Sorge geben. Insbesondere bei Sensortechnologien bestehe gemäss dem Bericht die Gefahr von Interferenzen. Das heisst, die Geräte könnten so manipuliert werden, dass sie dem Endbenutzer gezielt fehlerhafte Informationen liefern. Eine solche Manipulation von Sinneseindrücken würde die gegenwärtigen Bedrohungen durch künstlich erzeugte oder manipulierte visuelle und auditive Informationen (z. B. Bilder und Videos) erheblich verstärken.
Ausser den verschiedenen «taktischen Verbesserungen» hätten einige Forscher auch ein mögliches Aufkommen des Transhumanismus bis zum Jahr 2050 erforscht. Das Konzept beschreibe eine neue Form des Menschen, wobei Informationstechnologien und Biomedizin die intellektuellen, physischen und psychologischen Fähigkeiten des Menschen deutlich steigern werden. Im Zeitrahmen 2035 bis 2050 seien hier enorme «Fortschritte» zu erwarten.
The Sociable beschreibt diesbezüglich folgendes Szenario:
«Transhumanismus kann zu übermenschlichen Fähigkeiten führen, aber diese Fähigkeiten könnten nur einer ausgewählten Klasse vorbehalten sein, während der Rest von uns programmierbarem Pöbel in einem ständigen Zustand der Überwachung und Kontrolle leben könnte, bis wir irrelevant werden.»
Bereits heute fusioniert die sogenannte vierte industrielle Revolution unsere physischen, biologischen und digitalen Identitäten, um unser Verhalten zu überwachen, zu manipulieren und umzuprogrammieren, fährt das Portal fort. Und weiter: «Wenn Menschen in grossem Massstab vollständig mit Maschinen verschmelzen, wo wird dann die Technologie enden und der Mensch beginnen?»
Die Autoren des RAND-Berichts hätten festgestellt, dass ein hohes Mass an menschlicher Augmentation «die Vorstellungen von Identität und Menschsein verwischen» könne. Dies könne neue normative Sichtweisen auf das Menschsein einführen und eine Stigmatisierung derjenigen hervorrufen, die diese Normen nicht erfüllen. Wer ein natürlicher Mensch bleiben und nicht Teil des «Homo sapiens technologicus» werden wolle, könnte am Arbeitsplatz nicht konkurrenzfähig sein und zu einer «nutzlosen Klasse von Menschen» gehören.
Schlimmer noch als Leibeigene würden diejenigen, die in dieser schönen neuen transhumanistischen Welt nicht mithalten können, irrelevant, überflüssig und nutzlos werden – selbst für manuelle Arbeit, konstatiert The Sociable. Die Menschheit, wie wir sie kennen, könnte sich in eine völlig neue Spezies aufspalten, in der diejenigen, die nicht genetisch oder technologisch verändert sind, niemals mit denjenigen konkurrieren könnten, die es sind. Man stellt abschliessend die Frage:
«Was würde das in einer Zukunft, in der der Mensch nicht mehr als natürlicher Mensch angesehen wird, für die Menschenrechte bedeuten?»
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