Am 11. September vor 50 Jahren putschten von den USA unterstützte Militärs in Chile gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende Gossens. Der ergab sich nicht und beging nach einer letzten Rundfunkansprache an das chilenische Volk mutmasslich Selbstmord.
Nach dem Sturm auf den Präsidentenpalast Moneda und dessen Bombardierung errichteten die Militärs unter General Pinochet eine faschistische Diktatur, die erst 1990 endete. «Chile hatte sich seit 1932 als eine vorbildliche Demokratie bewiesen, sollte aber Nixon und Kissinger nicht überleben», schrieben der Regisseur Oliver Stone und der Historiker Peter Kuznick 2014 in ihrem Buch über «Amerikas ungeschriebene Geschichte – Die Schattenseiten der Weltmacht».
«Unbestechliche Dokumente weisen nach: Die Vergewaltigung der chilenischen Demokratie, der Bruch internationaler Abkommen und der tausendfache Mord an chilenischen Patrioten wurden in den Büros der CIA und den Vorstandsetagen multinationaler Konzerne, der ITT und anderer US-Monopole geplant, die Durchführung von aussen gesteuert.»
Das war bereits 1974 in «Chile – Ein Schwarzbuch» zu lesen. Es zeigte ein Jahr nach dem Putsch, wie dieser ablief, wer ihn finanzierte und ermöglichte und welche Folgen er für Chile hatte. Dazu gehörte die Zerstörung der sozialen und politischen Errungenschaften, die Allende und die «Unidad Popular» in ihrer kurzen Amtszeit erreichten.
Mit dem Putsch wurde eine Regierung gestürzt, «die in drei Jahren vollbracht hat, was ihre Vorgänger in anderthalb Jahrhunderten nicht vermochten», hiess es im «Schwarzbuch»:
«Die Chiles Kindern Milch, Chiles Jugend Bildung, Chiles Bauern Land, Chiles Arbeitslosen Arbeit, Chiles Werktätigen die großen betrieb, Chiles Volk sein Kupfer, Chiles Obdachlosen Wohnung gab.»
Sechs chilenische Parteien hatten sich 1969 zur «Unidad Popular» (UP) zusammengeschlossen. Ihr Programm hatte als wichtigstes Ziel, der wirtschaftlichen Ausplünderung des Landes und der Not von Millionen Menschen ein Ende zu setzen.
Es sollte dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen und war vor allem gegen die ausländischen Monopole und die einheimische Oligarchie gerichtet. Und es sollte nicht weniger, als auf verfassungskonformem und demokratischem Weg sowie mit friedlichen Mitteln die Gesellschaft schrittweise revolutionär verändern.
Doch damit hatten sie mächtige Gegner im In- und Ausland gegen sich aufgebracht, die Ihre Pfründe und Profite bedroht sahen. «Alle internationalen Institutionen, darunter die Weltbank mit Robert McNamara an der Spitze, verschworen sich zum Sturz der Staatsführung» in Santiago de Chile, schrieben Stone und Kuznick.
«Die CIA finanzierte Oppositionsparteien, betrieb Propaganda und Desinformation, verteilte Schmiergelder und organisierte Demonstrationen sowie gewaltsame Streiks gegen die Regierung. Und schliesslich billigte sie die Ermordung des Oberbefehlshabers der chilenischen Armee, General René Schneider, der geschworen hatte, die Demokratie zu verteidigen.»
Der Putsch hatte eine Vorgeschichte:
«Seit Anfang der 60er Jahre kannte die Chile-Politik der USA ein entscheidendes Ziel: Salvador Allende von der Macht fernzuhalten. Der linksorientierte Senator hatte sich bereits 1958 und 1964 um die Präsidentschaft beworben.»
Das schrieb Klaus Eichner, USA-Experte in der DDR-Auslandsaufklärung, in seinem 2009 veröffentlichten Buch über die «Operation Condor – Eine Internationale des Terrors».
«Der Staatsstreich, mit dem Allende 1973 gestürzt werden sollte, wurde bereits am 15. September 1970 geplant.»
Die USA nutzten alle in ihrer Macht stehenden politischen, wirtschaftlichen und geheimdienstlichen Mittel, um dem realen demokratischen Sozialismus in Chile zu schaden, einschliesslich dessen, was heute weiter als Sanktionen gegen unliebsame Staaten zum Einsatz kommt. Eine aktive Rolle bei den Vorgängen spielte der heute noch lebende und vom politischen und medialen Mainstream bewunderte Henry Kissinger.
Er hatte 1976 bei einem Treffen mit Pinochet in Chiles Hauptstadt gesagt:
«Wie Sie wissen, betrachten die Vereinigten Staaten das, was Sie hier machen, mit Sympathie. Ich glaube, dass die vergangene Regierung durch die Kommunisten geführt wurde. Wir wünschen Ihrer Regierung alles Gute.»
Was Kissinger da sagte, bedeutete ab dem 11. September 1973 für tausende Chilenen Verfolgung, Verhaftung, brutale Folter und bestialische Morde. Das Nationalstadion von Santiago de Chile wurde zum Konzentrationslager und zur Mordstätte, wo unter anderem der Sänger Victor Jara umgebracht wurde.
Die Verbrechen der ersten 120 Tage Pinochet wurden frühzeitig in dem «Schwarzbuch» dokumentiert. Stone und Kuznick dazu:
«Pinochet errichtete eine grausame Diktatur, die über 3200 Gegner ermordete oder verschwinden liess, unter anderem durch die Todesschwadron ‹Karawane des Todes›. Abertausende landeten im Gefängnis und wurden gefoltert. Für das chilenische Volk hat das Datum des 11. September eine weitaus tragischere Bedeutung als für das amerikanische. Es markiert den Untergang ihrer Demokratie, die den USA zum Opfer gefallen war.»
Dieser Beitrag erschien zuerst in redaktionell gekürzter Form in Ausgabe 9/10-23 des gedruckten Magazins Hintergrund.
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